Poem | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Karel Husa

Poem

Poem für Viola und Klavier

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 4121

Satzbezeichnungen

2. Improvvisando –

2. Misterioso – 3- Dolce

Erläuterungen

2005
KAREL HUSA
Poem für Viola und Klavier

Die Vita des Pragers Karel Husa liest sich wie ein verspätetes Gegenstück zu der seines Landsmanns Martinu: Auch er studierte zuerst in Prag, dann in Paris, wo Arthur Honegger und Nadia Boulanger seine Lehrer waren. Angesichts der politischen Verhältnisse in seiner Heimat kehrte er nicht nach Prag zurück, sondern wanderte in die USA aus. Dort wirkte er als Professor an Cornell University, als Dirigent und Komponist.

Sein Bratschenstück mit dem englischen Titel Poem führt uns zurück ins Jahr 1960, eine Phase der Neuen Musik, in der die Sehnsucht des Publikums nach einer beredten Instrumentalmusik nicht weniger ausgeprägt war als heute. Als Husas Poem 1960 beim Weltmusikfest in Köln seine europäische Erstaufführung erlebte, jubelte die versammelte Musikkritik nicht nur über die spannungsvolle Interpretation durch Ulrich Koch und das damalige SWF-Orchester. Alle waren sich einig, dass hier Dodekaphonie endlich zu einer eingängigen Musik geführt hatte. Die Hannoversche Allgemeine schrieb vom “westöstlich schimmernden Impressionismus” in Husas Stück, der Mannheimer Morgen hörte das “musikantische Erbteil seiner Nation”, die Braunschweiger Zeitung gar erlebte eine Rückkehr zu “Linie, Emotion und instrumentaler Farbe, ein Morgenrot nach dem Dunkel der technischen Klausurzeit”, sprich: der 50er-Jahre-Avantgarde. “Eine ungeniert romantische Ausdrucksmusik”, so die Welt, “höchst delikate und intime 12-Tonmusik”, so die Stuttgarter Zeitung.

1963 legte Husa beim Schott-Verlag, zu dessen Autoren er bis heute gehört, die hier gespielte Fassung des Poem mit Klavier vor. Ursprünglich hatte er das Stück in den USA für einen anderen Emigranten komponiert: den in München geborenen Bratschisten Walter Trampler, der 1939 vor den Nazis in die USA geflohen war. Als Professor an der Juilliard School war Trampler bereits eine Legende, als Husa 1959 sein Poem für ihn komponierte. “Den drei Teilen, die ohne Unterbrechung gespielt werden, liegt eine einzige Zwölftonreihe zugrunde”, so die lapidare Erläuterung des Komponisten. Hinweise auf den intendierten Spannungsbogen geben die Titel der drei Abschnitte: Improvvisando ist der Einstieg gehalten, eine Art ausgeschriebene Kadenz. Daran schließt sich das zentrale Misterioso an, das seinem Titel durch Pianissimo-Valeurs, Pizzicato, Col legno und Flageoletts alle Ehre macht. Der dolce überschriebene Epilog kehrt zur 12-Tonreihe in lang ausgehaltenen, gedämpften Tönen zurück.