Chinesische Musik | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Anonymus

Chinesische Musik

Chinesische Musik

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 36

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

DER KLANG CHINAS

DIE URSPRÜNGE:

In der europäischen Musik wurde stets gefordert, Instrumente sollten die menschliche Stimme imitieren. Violine oder Oboe folgen beim Spielen einer Kantilene dem Vorbild des Gesangs, und wenn man ihnen zuhört, denkt man für gewöhnlich nicht an die Beschaffenheit des Materials, aus dem sie gemacht sind. Es ist eher ihre gesangliche Aura, die den Höreindruck prägt.

Chinesische Musikinstrumente suggerieren etwas völlig anderes. Die Klänge des Ti-Se (Dizi), der Bambusquerflöte mit einer dünnen Mebran als vibrierendem Bestandteil, des Ch’in, der Zither mit sieben Seidensaiten, und die klangvollen Stein- und Metallglocken haben Qualitäten, die unmittelbar auf das Material bezogen sind, aus dem sie bestehen. Zwar entziehen sich die Klangeigenschaften von Bambus, Seide, Stein oder Bronze genauer Definition, kaum einer würde jedoch bestreiten, daß ihre Klänge erdhafter, der Natur näher sind als die menschliche Stimme.

Der Ursprung der chinesischen Musikinstrumente ist heterogen. Zithern, Glocken, Trommeln, Kugelflöten, Holzpfeifen und Mundorgeln (Shen) gehen auf das Altertum zurück. Sie werden manchmal als “einheimische” Instrumente bezeichnet, was sie der Han-Rasse zuordnet, jener Hauptbevölkerungsgruppe Chinas, die sich im Altertum in den nördlichen Ebenen des Landes ansiedelte… Andere werden den Nomaden, die ethnisch nicht zur Han-Rasse gehörten, zugeschrieben. Darunter sind besonders Schilfinstrumente wie die Querflöte Ti-Se (Dizi), das Bambushorn Hu Chia, die Bambusoboen Pi-li und Kuan, sowie eine horizontale Harfe namens K’ung Hou.

Seit dem 5. Jahrhundert wurden zahlreiche Instrumente über die großen Handelsstraßen nach China gebracht, und zwar von fremden Gesandtschaften, die dem chinesischen Kaiserhof ihre Referenz erweisen wollten. Darunter befanden sich Instrumente wie die eiförmige Laute P’i-p’a (Pipa), die vertikale Harfe und viele Blas- und Schlaginstrumente aus Zentral- und Südasien…

Wenn man daran denkt, wie diese Instrumente nach China kamen, ist man versucht, sie als ausländische Instrumente zu bezeichnen, obwohl es genauer ist, von Nicht-Han-Instrumenten zu sprechen, da China immer ein Vielvölkerstaat war. Jedenfalls sind alle von ihnen seit mehr als tausend Jahren “sinisiert”, so daß die Chinesen sie mit Recht als ihre eigenen bezeichnen können. Dennoch hat das heutige traditionelle Orchester Chinas mit seiner großen Gruppe von Zupfinstrumenten noch immer eine gewisse Ähnlichkeit mit Orchestern des Nahen Ostens, was uns an den Kulturaustausch mit Zentral-asien erinnert, der vor Jahrhunderten stattfand.

DIE INSTRUMENTE:

Blasinstrumente:

XUN, ein Blasinstrument aus Keramik, ist wahrscheinlich das älteste Musikinstrument Chinas. Es kann auf eine sechs- bis siebentausendjährige Geschichte zurückblicken.

HULUSI, ein Blasinstrument, das bei den Volksgruppen der Achang und Dai im Südwesten Chinas populär ist, besteht aus einem Kürbis und drei eingebauten Bambusflöten, was einen besonders feinen und weichen Ton ergibt.

BAMBUSFLÖTEN wurden in der Wudi-Kaiserzeit der Han-Dynastie aus dem Westen nach China eingeführt. Es sind einfache Querflöten, deren bezaubernde Wirkung in der chinesischen Dichtung häufig besungen wurde.

Zupfinstrumente:

PIPA, die viersaitige chinesische Laute, hat in der Geschichte der asiatischen Musik eine einzigartige Rolle gespielt. Sie war ein Träger interkulturellen Austausches und ein Katalysator für die Assimilation fremder Einflüsse in der chinesischen Musik. Zunächst – von der Qin und Han- bis zur Sui- und Tang-Dynastie – wurde der Name für alle Zupfinstrumente verwendet. Erst seit der Tang-Dynastie entwickelte sich die Pipa zu ihrer heutigen Form. Das Wort “Pipa” weckt die Erinnerung an viele tragisch-romantische Geschichten aus der chinesischen Vergangenheit. Eine wurde von Fu Hsüan im Vorwort zu seinem berühmten poetischen Essay “Pipa-Fu” (Ode auf die Pipa) erzählt: “Der Kaiser von Han sandte eine Prinzessin nach Wunsun, um den König Kumi zu heiraten. Da er an ihr Heimweh dachte, ließ er von einem Handwerker ein einheimisches Instrument so umbauen, daß es auf dem Pferd zu spielen war. Da das neue Instrument innen hohl und außen fest war, symbolisierte es Himmel und Erde; sein runder Korpus und gerader Hals Yin und Yang; die zwölf Leisten, aus denen es gemacht ist, das chinesische Tonsystem; seine vier Saiten die vier Jahreszeiten. Sein Name Pipa ist aus einem fremden Dialekt geborgt…”

SANXIAN bedeutet “Instrument mit drei Saiten”. Es wird sowohl für Soli als auch zur Begleitung von Gesang verwendet und geht in der Urform auf die Zeit der Qin-Dynastie (ca. 200 v. Chr.) zurück.

ZHENG ist ein Zupfinstrument mit 21 Saiten, das nach Art unserer Zither gespielt wird. Es war bereits zur Zeit der streitenden Reiche (5. bis 3. Jahrhundert v. Chr.) in Gebrauch.

Streichinstrumente:

ERHU, das eigentliche Hauptinstrument der chinesischen Volksmusik, ist ein zweisaitiges Streichinstrument, das etwa mit unserer Gambe zu vergleichen ist. Der Korpus ist aus Holz gebaut und mit Schlangenhaut bespannt.

BANHU, eine Art zweisaitiger Geige, die in den nördlichen Regionen Chinas populär ist, kann man oft in Dialektopern als Begleitinstrument hören. Der Korpus ist aus Kokosnußschalen und aus Spanplatten von Tungölbaumholz hergestellt.

DAS PROGRAMM:

Wie jedes Programm mit traditioneller chinesischer Musik besteht auch das heutige aus Ensemblestücken und Soli, klassischer Musik und neukomponierten Werken.

Die ENSEMBLESTÜCKE verarbeiten in freier Weise populäre Melodien aus verschiedenen Landesteilen. Eine eigene Gattung stellt die GUANGDONG-MUSIK dar, die aus dem Perlfluß-Delta stammt. Sie “verkörpert den Charakter und die Neigungen der Menschen im Süden Chinas”.

Die SOLI für die einzelnen Instrumente sind teilweise klassische Werke von großer Berühmtheit. Das Pipa-Solo beispielsweise ist ein Schlachtengemälde, in dem die Entscheidungsschlacht zwischen Chu- und Han-Reich 202 v. Chr. dargestellt wird. Die tonmalerische Nachahmung von Trommeln, Hufen, Degen- und Schwertklängen sowie der dramaturgische Aufbau aus Truppenformierung, Hinterhalt, Kampf, Verfolgung und Sieg stellen höchste Anforderungen an die Spielerin und machen dieses Stück zum Inbegriff des klassischen chinesischen Instrumentalsolos.

Andere Soli wurden von modernen Virtuosen dem Instrument auf den Leib geschrieben. So beschreibt unser Flötist Chao Wen Gong in seinem Solo für Hulusi Schöner Ruili-Fluß, wie Dai-Mädchen am Fluß tanzen und mit dem Wasser spielen.

Viele Stücke haben einen unmittelbar einleuchtenden tonmalerischen Bezug, etwa wenn Regentropfen auf die Blätter des Bananenbaums prasseln. In anderen spielt die chinesische Naturpoesie eine stärkere Rolle. So gibt das Erhu-Solo unseres Programms das stille und nachdenkliche Bild des Mondlichts in der zweiten Quelle Chinas bei Wuxi wieder. Auch das klassische Pipa-Zheng-Duett Fluß und Blumen in der Frühlingsmondnacht ist eine subtile Stimmungsmalerei.

Ein dritter Aspekt ist Rollenverhalten in der Gesellschaft. Frau im Herbst, das Xun-Solo, vergleicht die Standhaftigkeit und Treue einer chinesischen Frau mit dem Herbst.

Das Finale unseres Programms ist ein Zitat aus der berühmtesten Institution des chinesischen Musiklebens: der Peking Oper. Wer den Kinofilm Lebe wohl, meine Konkubine gesehen hat, weiß um die Bedeutung dieses Stücks im Repertoire der Peking Oper, um seine große Tradition und den eigenartigen Zauber seiner Melodien. kb

(Diese Einführung beruht auf Informationsmaterial des Ensembles und auf Abschnitten aus: Jade Flute. The Story of Chinese Music von T. C. Lai und Robert Mok.)