Fantasie op. 37 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Louis Spohr

Fantasie op. 37

Fantasie op. 37

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3171

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

Johann Wolfgang von Goethe gehörte zu den ersten Zuhörern, die einer Aufführung von Louis Spohrs Fantasie für Harfe solo beiwohnten. Wie sich der Geigenvirtuose und Kapellmeister Spohr in seiner überaus lesenswerten Autobiographie später erinnerte, quittierte Goethe die Aufführung bei einem Weimarer Hofkonzert 1807 „mit vornehm-kalter Miene“ und „einigen lobenden Worten“. Sein Dichterkollege Wieland war da ungleich enthusiastischer und „ganz hingerissen“ von der Musik Spohrs und der Aufführung der Fantasie durch dessen Frau Dorette. Die noch ganz junge hübsche Blondine aus Gotha war erst im Jahr zuvor Spohrs Frau geworden, und gemeinsam bereiste das Künstlerehepaar nun die deutschen Höfe.

Dorette Spohr scheint eine für das 19. Jahrhundert ungewöhnlich moderne Frau gewesen zu sein: Ihre erste Schwangerschaft absolvierte sie gewissermaßen zwischendurch, zwischen Hochzeit und erster gemeinsamer Kunstreise mit ihrem Mann. Dieser hatte schon seinen Heiratsantrag künstlerisch formuliert: „Wollen wir so für’s Leben mit einander musiciren?“ fragte er die verlegene Dorette nach einem ersten gemeinsamen Hofkonzert in Gotha, wo der Braunschweiger Spohr damals Konzertmeister war und die hübsche Dorette kennengelernt hatte. „Mit hervorbrechenden Thränen sank sie mir in die Arme; der Bund für das Leben war geschlossen!“

Kurz nach diesem so romantischen Heiratsantrag und der Hochzeit im Februar 1806 wandte sich Spohr neuen Kompositionen für das Instrument seiner Frau zu: „Ich begann alsbald ein eifriges Studium der Harfe, um zu ergründen, was dem Charakter des Instrumentes am angemessensten sei. Da ich in meinen Compositionen reich zu moduliren gewohnt war, so mußte ich besonders die Pedale der Harfe genau kennen lernen, um nichts für sie Unausführbares niederzuschreiben. Bei der großen Sicherheit, mit der meine Frau schon damals die ganze Technik des Instrumentes beherrschte, konnte dies freilich so leicht nicht geschehen. Ich überließ mich daher auch ganz dem freien Fluge meiner Phantasie, und es gelang mir bald, dem Instrumente ganz neue Effekte abzugewinnen.“

Diese „ganz neuen Effekte“ konnte das Paar bald auf jener Konzertreise ausprobieren, die es im Herbst 1807 außer nach Weimar auch nach Leipzig, Dresden, Prag, München, Stuttgart, Heidelberg und Frankfurt führte. Vor Beginn der Reise kaufte Dorette eine neue, größere Pedalharfe von Nadermann aus Paris, während sich ihr Mann mit einem Problem beschäftigte, das noch heute Harfenistinnen und Harfenisten in Atem hält: mit dem Transport des Instruments. Da eine Harfe schon damals nicht in die Standardkutsche passte und „Kombis“ noch unbekannt waren, konstruierte Spohr kurzerhand eine Kutsche, bei der er den Harfenkasten „schwebend auf Riemen“ unter dem Sitz des Postillons befestigte.

Die Konstruktion des Geigenvirtuosen bewährte sich auf der Tournee ebenso wie seine neuen Kompositionen, unter denen die Fantasie, op. 37, besonders gefiel. Nach dem Vortrag dieses Werkes in Heidelberg hieß es in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung, Dorette Spohr habe die Harfe gespielt, „wie man sie in Deutschland selten zu hören bekommt – mit einer Zartheit, Leichtigkeit und Anmuth, mit einer Sicherheit und Stärke, mit einem Ausdrucke, der hinreißend ist.“ Vom bayerischen König Max Joseph erhielt sie nach dem Vortrag der Fantasie in München ein mit Juwelen besetztes Diadem geschenkt.