Junge Lieder
Werkverzeichnisnummer: 3060
Blauveilchen (Moritz Leiffmann)
Entsagung
Der aus Siegburg bei Bonn stammende Engelbert Humperdinck schrieb sein erstes Lied als Achtzehnjähriger 1872, sein spätes Streichquartett im Jahre 1920. Im halben Jahrhundert dazwischen hat er ein reiches Schaffen entfaltet, das sich mit dem Schlagwort vom “Erfinder der Märchenoper” nur ganz ungenügend bezeichnen lässt.
Die meisten seiner Lieder entstanden in den 1890er Jahren, als das deutsche Musikleben unter dem Einfluss von Richard Strauss entschieden den Neuerungen der Jahrhundertwende zustrebte. Strauss war es, der 1893 in Weimar die Uraufführung von “Hänsel und Gretel” dirigierte. Humperdinck gehörte damals zu den schon nicht mehr ganz jungen Verfechtern des neudeutschen Ideals unter dem Einfluss Wagners, was sich etwa an seiner Harmonik und auch am melodischen Duktus zeigt. Die Jahre 1881-83 hatte er im Umkreis des Meisters in Bayreuth verbracht, was für seine Selbstfindung freilich eher Blockade denn Inspiration bedeutete. Erst nach dem Durchbruch mit “Hänsel und Gretel” stand er musikalisch auf eigenen Füßen – spät genug mit knapp 40 Jahren. In dieser Zeit schrieb er auch die hier gesungenen Lieder.
Den Weg zu seiner Märchenoper hatte sich Humperdinck über die Komposition von Kinderliedern gebahnt, die er zunächst zum Liederspiel, dann zur Volloper zusammenfügte. Es erscheint natürlich, dass er sich auch sonst mit dem Genre “Lieder für die Jugend” beschäftigte, das besonders von Robert Schumann gepflegt worden war. Neben Kinderlied-Zyklen wie “Bunte Welt” oder “Dideldumdei” schrieb er für etwas ältere jugendliche Sänger seine “Jungen Lieder”. In ihrem beschaulichen Ton scheinen sie das Aufkeimen poetischen Gefühls im jugendlichen Gemüt widerzuspiegeln. Die Texte dazu schuf Moritz Leiffmann, der 1898 Dichtungen mit dem Titel “Trifolium” herausbrachte – “in ihrem Liederteil gesetzt für Gesang und Klavier von Engelbert Humperdinck”, wie auf dem Titel zu lesen steht. Wir hören Nr. 3 und 7, “Blauveilchen” (Am stillen Pfad) und “Entsagung” (Ob ich weine, ob ich klage).
Im Gegensatz zu den Romantikern brachte Humperdinck seine Lieder nicht als Liederkreise, sondern oft einzeln heraus. So ist auch das “Lied vom Glück” nach Elly Gregor als Einzeldruck 1895 erschienen. Wie viele seiner Lieder liegt es in mehreren Fassungen vor. Oft schloss sich an die Ausarbeitung einer zweiten oder dritten Fassung für Gesang und Klavier noch die Bearbeitung für Orchester an (wie bei Hugo Wolf). “Oft sinn’ ich hin und wieder” nach Bodenstedt und “Sonntagsruhe” nach Sturm sind Beispiele für diese Quellenlage.
In dem letzteren Lied kann man einen Eindruck davon gewinnen, wie Humperdinck in seiner Bopparder Villa die Sonntagsruhe am Rhein genoss. Die lokale Sangeskunst an Rhein und Mosel hat er auch in ganz praktischer Weise unterstützt, so etwa durch seine “Moselweinlieder” zum Trarbacher Sängerkrieg von 1898.