Trio | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Aram Chatschaturjan

Trio

Trio für Klarinette, Violine und Klavier (1932)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3045

Satzbezeichnungen

1. Andante con dolore, molt’espressione

2. Allegro – Allegretto – Allegro agitato – Maestoso pesante – Tempo I

3. Moderato – Presto

Erläuterungen

Aram Chatschaturjan ist das Musterbeispiel eines Komponisten, den man nur eines Stückes wegen kennt: dank des Säbeltanzes aus dem Ballett Gajaneh. So banal es scheint, ihn gerade an diesem Ohrwurm zu messen, so treffend ist es andererseits. Man hat ihn als den „Meister des sozialistischen Realismus“ bezeichnet. In der Tat war er derjenige Komponist der UdSSR, der die Forderungen der Sowjet-Funktionäre nach einer verständlichen, im Volk verwurzelten Musik am konsequentesten verwirklichte, ohne Folklore-Kitsch zu produzieren.

Die Gebrochenheit und Hintergründigkeit eines Schostakowitsch fehlten dem 1903 in Tbilisi Geborenen ebenso wie die polyglotte Nonchalance eines Prokofieff. Dafür zeichnet seine Musik eine ungebrochene Kraft des Folkloristischen aus, die aus dem Osten der UdSSR ihre Inspiration schöpfte. Das Orientalische, von Rimsky-Korsakoff in die russische Musik eingeführt, wurde bei Chatschaturjan zur Grundfarbe – ein Erbe der Romantik. Seine Orientalismen sind jedoch von echter Volksmusik inspiriert: von kaukasischer, usbekischer und armenischer.
Kammermusik nahm in seinem Schaffen nur einen kleinen Raum ein; Ballettmusik und Sinfonik dominierten. Nach 1936, als das kulturpolitische Klima in Russland sich vehementer denn je gegen die „westliche Verwesungs-type“ des modernen Musikers wandte und Kammermusik ganz generell in den Verdacht geriet, westlicher Dekadenz zu huldigen, setzt Chatschaturjans Schaffen in diesem Genre gänzlich aus. Das Trio für Klarinette, Violine und Klavier war neben der Doppelfuge für Streichquartett sein letztes Kammermusikwerk. Beide wurden 1932 geschrieben, ein Jahr, bevor Maxim Gorki den Begriff „sozialistischer Realismus“ definierte.

In seiner ästhetischen Haltung lässt das Trio keine Missverständnisse aufkommen. Seine drei Sätze, Andante, Scherzo und Finale, reihen folkloristische Themen variierend aneinander, sind in Kirchentonarten mit orientalischer Färbung gehalten und verzichten auf allzu komplexe motivisch-thematische Arbeit. Den ersten Satz, ein Schmerzvolles Andante (Andante con dolore), eröffnet das Klavier mit einer klagenden Akkordfolge. Darüber stimmt die Klarinette das Hauptthema an, eine Melodie im dorischen Kirchenton, die von orientalischen Arabesken der Violine umspielt wird. Der improvisatorische Gestus dieses Themas breitet sich in Form ornamentaler Phrasen mehr und mehr über den Satz aus bis hin zu einer Quasi-Kadenz der Klarinette. Tremoli der Violine und Passagen mit Dämpfer verleihen dem Klang reizvolle Schattierungen.

Der Mittelsatz, ein Scherzo von exotischer Farbe, ist in Bogenform angelegt. Auf ein kurzes Vorspiel im kompakten Trioklang mit Pizzicato folgt der Hauptteil, eine Walzermelodie der Klarinette über wiegender Begleitung. Nach dem heftigen Trio-Mittelteil (Allegro agitato) wird zunächst der Walzer, dann der Anfang wieder aufgegriffen. Das Hauptthema des Satzes, der Klarinettenwalzer, hat orientalisches Kolorit. Engschritting und mit kurzen Vorschlägen umspielt er die chromatischen Halbtöne in einer Art „Dur-Moll“ – fast ein Klezmersolo.

Ein weiteres Solo der Klarinette, diesmal ohne jede Begleitung, eröffnet das Finale. Wieder ist es eine improvisiert wirkende, ornamentale Phrase. Erst im Klavier gewinnt sie rhythmische Kontur, erst durch den Klang, besonders einen langen Bordun auf C, die typische folkloristische Farbe. Auch das zweite und dritte Thema bauen auf Quint-Oktav-Klängen der Folklore auf – sozusagen ein klingendes Pendant zur naiven Malerei Russlands. Nach dem ruhigen zweiten Thema im Klavier gibt sich das abschließende Presto als veritabler Kehraus. In seinen virtuosen Reigen sind das erste und zweite Thema auf elegante Weise eingebettet.