Oktett C-Dur, op. 7 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

George Enescu

Oktett C-Dur, op. 7

Oktett C-Dur für Streicher, op. 7

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2976

Satzbezeichnungen

1. Très modéré –

2. Très fougeux – Moins vite – 1er Mouvement

3. Lentement – Plus vite – 1er Mouvement

4. Mouvement de Valse bien rythmée

Erläuterungen

GEORGE ENESCU, mit Bartók gleichaltrig, war ein Wanderer zwischen den Welten des Balkans und Westeuropas. In Rumänien geboren, beim Wiener Konzertmeister Hellmesberger zum Violinvirtuosen ausgebildet, in Paris ab 1895 Kompositionsschüler von Fauré und Massenet, war er im besten Sinne des Wortes ein Kosmopolit – ein Musiker, der die brodelnde Atmosphäre der beginnenden Moderne in eine ganz eigene Sprache umschmolz. In Deutschland gilt Enescu vor allem als einer der großen Geiger des 20. Jahrhunderts, als Solist, Lehrer (unter anderem von Yehudi Menuhin), Widmungsträger großer Werke einer jener Geiger, denen der Platz im Parnass sicher ist. Die Franzosen dagegen würden nicht zögern, ihn zu den originellsten Komponisten des 20. Jahrhunderts zu zählen. Neben Volksmelodien seiner Heimat und Einflüssen der orthodoxen Kirchenmusik hat er das Wien der Brahmszeit und das Paris des Fin de siècle in seiner Musik zur Synthese gebracht – und dabei Streicherklänge erfunden, die man als geradezu visionär bezeichnen muss.

Das Oktett von 1900, der Geniestreich des 19-Jährigen Enescu, ist das Schlüsselwerk dieses individuellen Stils. Es mag angesichts von Entstehungszeit und -ort nicht verwundern, dass es monumentale Dimensionen angenommen hat. Mit mehr als 40 Minuten Spieldauer ist es ein Gegenstück zur Pariser Sinfonik jener Epoche, zur Orgelsinfonie von Saint-Saëns und zur Franck-Sinfonie. Auf seine Art spiegelt es das Paris der “Grands Boulevards” und der Weltausstellungen wider – die unersättliche Neugier der Metropole.

Schon die Grundidee des Werkes ist “parisien”: die üblichen vier Sätze eines spätromantischen Kammermusikzyklus – Hauptsatz, Scherzo, Adagio und Finale -, sind so zusammengeschweißt, dass eine einzige Monumentalform entsteht. Wie in den Prototypen dieser “Mehrsätzigkeit in der Einsätzigkeit”, etwa dem Klavierquintett von César Franck, hat auch Enescu sein Hauptthema mottoartig zwischen alle Teilsätze eingeschaltet. Es schwebt gleichsam über dem Ganzen, und die Momente seiner Wiederkehr sind die poetischen Wendepunkte der Form.

Im Vorwort zur Partitur kam Enescu auf diese formale Eigenart zu sprechen: “Dieses Oktett ist ein zyklisches Werk mit einer Besonderheit: in klassischer Viersätzigkeit angelegt, gehen seine vier Sätze unmittelbar ineinander über, so dass eine einziger Sinfoniesatz entsteht. Seine Abschnitte folgen den Regeln einer allerdings erheblich erweiterten Sonatenhauptsatzform.” Bei der “erheblichen Erweiterung” handelt es sich um ein kompliziertes System aus insgesamt neun Themen, von denen alleine sechs im einleitenden Hauptsatz aufgestellt werden.

Im Vorwort erwähnte Enescu außerdem den Grad an kontrapunktischer Verflechtung, den die acht Stimmen erreichen: “Man sollte bei der Aufführung nicht allzu sehr auf gewissen kontrapunktischen Kunstgriffen beharren, um den wesentlichen thematischen und melodischen Elementen Raum zur Entfaltung zu lassen.” In der Tat sind weite Teile des Werkes mit einer Art kontrapunktischer Grundierung unterlegt, einem polyphonen Gewebe, aus dem die “singenden Passagen”, wie sie Enescu nannte, hervortreten sollen. Darum hob er die jeweilige Hauptstimme in der Partitur hervor, ähnlich dem Verfahren, das Alban Berg und Arnold Schönberg in einigen ihrer Werke anwandten.

Das Hauptthema bildet das majestätische Entrée des Werkes: im Unisono der sieben Oberstimmen über einem Tremolo des zweiten Cellos. Durch den gravitätischen Dreihalbetakt und den punktierten Rhythmen entsteht der Eindruck eines Portals, aus dem nach zehn Takten eine erste kontrapunktische Verästelung hervortritt: erste Geige und erste Bratsche stimmen eine Achtelmelodie im Kanon der Oktav an. Sie wird getragen vom Bordun der Celli und einer weitgespannten Gegenstimme der zweiten Geige. Der ganze erste Themenkomplex besteht aus einer allmählichen Auffüllung dieses Kontrapunkts mit zusätzlichen Stimmen bis hin zum Tutti im Fortissimo, in dem das Hauptthema wiederkehrt.

Unmittelbar darauf folgt das Seitenthema, eine wunderbare Bratschenmelodie über einem “murmelnden” Klanggrund, gefolgt von einem munteren, barocken Motiv der ersten Geige (extremement gracieux). Die dritte Themengruppe, deutlich abgesetzt durch Fermatetöne der Bratschen zu Beginn und am Ende, umfasst wieder zwei Gedanken: einen ruhigen, chromatischen Gesang und ein Motiv aus fallenden Nonen. Jede der drei Themengruppen und jedes ihrer Motive hat sozusagen seine eigene Klangwelt, wobei die Klangfantasie des Geigers Enescu einige der schönsten Streicherklänge hervorbrachte, die man in der Kammermusik hören kann.

Auf die Präsentation der drei Themengruppen mit ihren sechs Gedanken folgt eine kunstvolle kontrapunktische Durchführung, die aber rasch wieder verebbt und mit dem ersten Thema “con sordino” ausklingt. Nach einer kurzen Pause setzt unvermittelt das Scherzo in f-Moll ein, ein stark rhythmisches, gleichsam wild-rumänisches Stück, in dessen Thema der zweite Gedanke der Einleitung verwoben ist. Als Seitenthema in As fungiert wieder das Hauptthema vom Anfang, das Trio verarbeitet die Themen der Schlussgruppe und hüllt sie in einen Klangteppich aus vagierenden Pianissimi und impressionistisch verschwimmenden Läufen. Der Scherzo-Hauptteil kehrt verändert wieder. Spätestens hier wird deutlich, dass das Scherzo nichts anderes als die Durchführung des gesamten riesigen Satzes ist. Folgerichtig kehrt nach dem Scherzo das Hauptthema bestätigt wieder (“extremement vit