Drei kleine Stücke, op. 11 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Anton Webern

Drei kleine Stücke, op. 11

Drei kleine Stücke für Violoncello und Klavier, op. 11

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2070

Satzbezeichnungen

1. Mäßige Achtel

2. Sehr bewegt

3. Äußerst ruhig

Erläuterungen

Die von Adorno erwähnten Cellostücke op. 11 von Webern entstanden 1914, ein Jahr nach Bergs op. 5. In der Werkgruppe der instrumentalen Miniaturen stellen sie nach Walter Kolneder „einen extremen Entwicklungspunkt dar, und das nicht nur wegen ihrer Kürze. Auch die melodische Enthaltsamkeit ist hier bis zu einem Punkt vorgetrieben, an den erst der späte Webern wieder anknüpft.“ Entsprechend besorgt war der Komponist um ihre Aufnahme beim Publikum.

Am 2. Dezember 1924 erlebte das Mainzer Konzertpublikum eine Weltpremiere, die in ihrer provokanten Kürze kaum zu unterbieten war: Maurits Franck, der Cellist des Amar Quartetts, spielte mit Eduard Zuckmayer, dem Bruder des Dichters, die Uraufführung von Weberns Opus 11. Der Komponist war nicht anwesend, hatte er doch schwerste Bedenken, was die Wirkung dieser Kürzeststücke im Konzertsaal betraf. Noch 1939 schrieb er an Willi Reich, er solle die Cellostücke „lieber gar nicht“ aufs Programm eines Webern-Abends setzen. „Nicht weil ich sie nicht gut finde. Aber sie würden ja nur missverstanden. Die Spieler und die Hörer können nur schwer etwas damit anfangen.“

Entstanden sind die drei Stücke 1914, im gleichen Jahr, in dem die Villa Musica in Mainz vollendet wurde – in den Wochen vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Scheinbar unberührt von der Julikrise nach dem Attentat von Sarajewo schickte Webern sein neues Opus seinem Lehrer Arnold Schönberg und entschuldigte sich dafür, dass ihm die große Cellosonate, die er eigentlich hatte schreiben wollen, wieder nicht geglückt war. Den ersten Satz der Sonate hatte er abgebrochen und zugunsten der drei Stücke aufgegeben.

Bis heute wirkt ihre lakonische Kürze und extreme Verdichtung irritierend: Das erste Stück ballt den Ausdruck auf ganze neun Sechsachteltakte zusammen, eine Art Cantabile im dreifachen Piano, vom Cello mit Dämpfer zu spielen – schüchtern sich entfaltende und gleich wieder zurückgenommene Melodiebögen. Das „sehr bewegte“ Mittelstück, quasi ein Scherzo, umfasst 13 Takte im Wechsel zwischen Dreier- und Zweiertakt. Das Finale ist im äußerst ruhigen Tempo auf zehn Takte „gedehnt“. Cello und Klavier spielen zusammen nicht mehr als 20 Töne, und doch eröffnet sich in diesem Kürzest-Adagio ein Kosmos von Expression: Die Eröffnungsgeste des Cellos, im dreifachen Piano, mit Dämpfer und am Steg zu spielen, knapp anschwellend und dann wieder fast verschwindend, wird vom Klavier mit einem einzigen leisen Dreiklang beantwortet. Im nächsten Glied Rollentausch: Das Klavier kehrt die zarte Geste des Cellos um, das seinerseits mit einem Einzelton reagiert. Aus dem letzten Akkord des Klaviers wachsen drei schemenhaften Mehrklänge des Cellos heraus – und schon ist das Werk im Pianissimo verklungen.

Webern selbst wollte aus den wenigen Tönen seiner extrem reduzierten Meisterwerke eine Welt des Ausdrucks hervorholen. Dies erfuhr der Wiener Pianist Peter Stadlen, als er mit ihm die Variationen Opus 27 einstudierte: „Wenn er sang und schrie, seine Arme bewegte und mit den Füßen stampfte beim Versuch, das auszudrücken, was er die Bedeutung der Musik nannte, war ich erstaunt zu sehen, dass er diese wenigen, für sich allein stehenden Noten behandelte, als ob es Tonkaskaden wären. Er bezog sich ständig auf die Melodie, welche, wie er sagte, reden müsse wie ein gesprochener Satz.“ Auch für die Cellostücke muss man diese Beschreibung ernst nehmen.

Noch ein Wort zu Eduard Zuckmayer: Der geniale Pianist und Musikpädagoge aus Nackenheim wurde wie sein dichtender Bruder Carl von den Nazis mit Berufsverbot belegt, entschied sich aber für ein Exil in der Türkei, nicht in den USA. Dort war er zunächst Mitstreiter von Paul Hindemith beim Aufbau eines modernen Musiklebens im Staat des Artatürk. Später wurde Eduard Zuckmayer selbst zur Ikone der türkischen Musikpädagogik, die er an der Gazi-Universität in Ankara leitete. Dort ist er 1972 auch gestorben. Bis heute genießt er in der Türkei einen geradezu sagenhaften Ruf, besonders bei seinen Schülern, von denen noch etliche am Leben sind.

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Am 2. Dezember 1924 erlebte das Mainzer Konzertpublikum eine Weltpremiere, die in ihrer provokanten Kürze kaum zu unterbieten war: Maurits Franck, der Cellist des Amar Quartetts, spielte mit Eduard Zuckmayer, dem Bruder des Dichters, die Uraufführung von Weberns Opus 11. Der Komponist war nicht anwesend, hatte er doch schwerste Bedenken, was die Wirkung dieser Kürzeststücke im Konzertsaal betraf. Noch 1939 schrieb er an Willi Reich, er solle die Cellostücke „lieber gar nicht“ aufs Programm eines Webern-Abends setzen. „Nicht weil ich sie nicht gut finde. Aber sie würden ja nur missverstanden. Die Spieler und die Hörer können nur schwer etwas damit anfangen.“

Entstanden sind die drei Stücke 1914, im gleichen Jahr, in dem die Villa Musica in Mainz vollendet wurde – in den Wochen vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Scheinbar unberührt von der Julikrise nach dem Attentat von Sarajewo schickte Webern sein neues Opus seinem Lehrer Arnold Schönberg und entschuldigte sich dafür, dass ihm die große Cellosonate, die er eigentlich hatte schreiben wollen, wieder nicht geglückt war. Den ersten Satz der Sonate hatte er abgebrochen und zugunsten der drei Stücke aufgegeben.

Bis heute wirkt ihre lakonische Kürze und extreme Verdichtung irritierend: Das erste Stück ballt den Ausdruck auf ganze neun Sechsachteltakte zusammen, eine Art Cantabile im dreifachen Piano, vom Cello mit Dämpfer zu spielen – schüchtern sich entfaltende und gleich wieder zurückgenommene Melodiebögen. Das „sehr bewegte“ Mittelstück, quasi ein Scherzo, umfasst 13 Takte im Wechsel zwischen Dreier- und Zweiertakt. Das Finale ist im äußerst ruhigen Tempo auf zehn Takte „gedehnt“. Cello und Klavier spielen zusammen nicht mehr als 20 Töne, und doch eröffnet sich in diesem Kürzest-Adagio ein Kosmos von Expression: Die Eröffnungsgeste des Cellos, im dreifachen Piano, mit Dämpfer und am Steg zu spielen, knapp anschwellend und dann wieder fast verschwindend, wird vom Klavier mit einem einzigen leisen Dreiklang beantwortet. Im nächsten Glied Rollentausch: Das Klavier kehrt die zarte Geste des Cellos um, das seinerseits mit einem Einzelton reagiert. Aus dem letzten Akkord des Klaviers wachsen drei schemenhaften Mehrklänge des Cellos heraus – und schon ist das Werk im Pianissimo verklungen.

Webern selbst wollte aus den wenigen Tönen seiner extrem reduzierten Meisterwerke eine Welt des Ausdrucks hervorholen. Dies erfuhr der Wiener Pianist Peter Stadlen, als er mit ihm die Variationen Opus 27 einstudierte: „Wenn er sang und schrie, seine Arme bewegte und mit den Füßen stampfte beim Versuch, das auszudrücken, was er die Bedeutung der Musik nannte, war ich erstaunt zu sehen, dass er diese wenigen, für sich allein stehenden Noten behandelte, als ob es Tonkaskaden wären. Er bezog sich ständig auf die Melo-die, welche, wie er sagte, reden müsse wie ein gesprochener Satz.“ Auch für die Cellostücke muss man diese Beschreibung ernst nehmen.

Noch ein Wort zu Eduard Zuckmayer: Der geniale Pianist und Musikpädagoge aus Nackenheim wurde wie sein dichtender Bruder Carl von den Nazis mit Berufsverbot belegt, entschied sich aber für ein Exil in der Türkei, nicht in den USA. Dort war er zunächst Mitstreiter von Paul Hindemith beim Aufbau eines modernen Musiklebens im Staat des Artatürk. Später wurde Eduard Zuckmayer selbst zur Ikone der türkischen Musikpädagogik, die er an der Gazi-Universität in Ankara leitete. Dort ist er 1972 auch gestorben. Bis heute genießt er in der Türkei einen geradezu sagenhaften Ruf, besonders bei seinen Schülern, von denen noch etliche am Leben sind.